Als unsere Tochter ihren ersten Ili bekam, wurden wir mehrmals darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, an den Schrauben absolut gleichmäßig zu drehen. Andernfalls könnte es zu einer Verkrümmung des Knochens kommen.

Wir haben uns deshalb an den zu drehenden Muttern jeweils eine Facette mit einem Punkt graviert und auf „gleicher Höhe“ den Ili-Ring ebenfalls mit einem Punkt versehen. Wir entschieden uns für Gravuren, da wir befürchteten, Farbmarkierung würden sich allzu leicht wegwaschen lassen.

Somit wussten wir, dass nach jeder vollen Umdrehung einer Mutter, die beiden Markierungen wieder übereinstimmen müssen.

Zur Sicherheit haben wir nach jedem Drehen direkt an den Gewindestangen mit einem Messschieber die Abstände der beiden Ringe gemessen und dokumentiert. Sollte sich eine Mutter mal lockern, hätten wir somit die Möglichkeit gehabt, den korrekten Abstand wieder herzustellen.

Nach einiger Zeit hat es uns dann aber doch interessiert, wie wichtig diese angestrebte, absolute Gleichmäßigkeit denn nun wirklich ist.

Hierzu im Folgenden einige kurze Überlegungen:

Der Ili besteht aus zwei Ringen (schwarz), die über drei Gewindestangen (grün) verbunden sind. Die Berührungspunkte der Stangen mit den Ringen bilden zwei Dreiecke (rot). Der uns interessierende Körper ist also eine Art schräg abgeschnittenes, dreiseitiges Prisma.

Im Idealfall bilden die beiden Dreiecke zwei Ebenen, die parallel zueinander sind. Dies ist dann gegeben, wenn die drei Stangen (grün) die gleiche Länge besitzen. Ist das nicht der Fall, so stünden die beiden Ebenen irgendwie schief zueinander und würden sich irgendwo schneiden. Uns interessiert also dieser Schnittwinkel.

Um diesen Winkel zu berechnen, müssen wir zunächst die sechs Eckpunkte des Prismas in ein dreidimensionales Koordinatensystem bringen.

Als erstes messen wir an dem unteren Ili-Ring die drei Abstände zwischen den Stangen möglichst genau ab. Wir erhalten damit die Strecken a, b und c.

Wenn wir unser Dreieck so in das Koordinatensystem legen, dass die untere linke Ecke der Nullpunkt ist und die Strecke c auf der x-Achse liegt, dann haben wir bereits die beiden Punkte P1 und P2.

P1=(0,0,0) und P2=(c,0,0)

Zur Bestimmung von P3 benötigen wir die Höhe h und die Strecke q. Die Höhe berechnen wir nach:

Beispiel:

Wir haben die Abstände der Gewindestangen am Ili wie folgt gemessen:

a=10 cm; b=11 cm; c=12 cm

Dann ist die Höhe auf der Strecke c:

Die Höhe beträgt also etwa 8,6 cm.

q können wir nach Pythagoras bestimmen:

Beispiel:

Wir betrachten das Dreieck aus b, h und q mit dem rechten Winkel zwischen q und h. Dann gilt:

Nun können wir mit der räumlichen Berechnung beginnen. Wir messen die Längen l1, l2 und l3 der drei Gewindestangen – ebenfalls möglichst genau.

Die drei Punkte, die die untere Ebene bilden, sind dann:

Die Punkte der oberen Ebene entsprechend:

Nun können wir die vektoriellen Ebenengleichungen aufstellen:

und analog für die obere Ebene:

Beispiel:

Wir haben für die Längen der drei Gewindestangen folgende Werte gemessen:

l1=20 cm; l2=22 cm, l3=23 cm

Dann lauten die beiden Ebenengleichungen:

Der Winkel zwischen zwei Ebenen ist gleich dem Winkel zwischen den beiden Normalenvektoren dieser Ebenen (Normalenvektoren stehen rechtwinklig auf einer Ebene).

Zur Bestimmung der Normalenvektoren bilden wir das Kreuzprodukt der Richtungsvektoren u und v. Die Richtungsvektoren sind in der Ebenengleichung:

die Terme:

Das Kreuzprodukt ist dann:

Beispiel:

Bilden wir die Normalenvektoren unserer beiden Ebenen:

Der Winkel zwischen diesen beiden Normalenvektoren ist nun:

Beispiel:

Wir setzen ein:

Hier stehen die beiden Ili-Ringe also in einem Winkel von etwa 15° zueinander.

Wiederholt man diese Rechnung nun mit (für einen Ili) realistischen Werten, so sehen die Winkel schon etwas „freundlicher“ aus:

a=10 cm, b=10 cm, c=10 cm

Wenn l1=20,0 cm, l2=20,1 cm und l3=20,2 cm dann ist der Winkel α=1,2°.

Wenn l1=20,0 cm, l2=20,3 cm und l3=20,5 cm dann ist der Winkel α=2,9°

Eine Abweichung von 2mm bzw. 5mm führt also zu Winkeln von 1,2° bzw. 2,9°.

In einer Strichzeichnung sind diese Winkelabweichungen bei genauem Hinsehen erkennbar:

Bei einem „richtigen Bein“ fällt eine solche Abweichung deutlich weniger auf.

Die Abweichungen sind hier eigentlich nur mit Hilfslinien erkennbar.

Fazit:

Beim „Drehen“ führt eine Abweichung von 5mm vom Idealwert in unserem Beispiel zu einem Winkel (Knick) im Bein von knapp 3 Grad. 5mm sind bei herkömmlichen Gewindestangen 30 Facetten und damit eigentlich schon unrealistisch viel. Dennoch sind auch 3 Grad Abweichung an einem Bein eigentlich optisch kaum erkennbar.

Welche Auswirkungen solche Abweichungen auf die Gelenke und den gesamten Bewegungsapparat haben, vermag ich nicht zu beurteilen. Vermutlich ist auch die Richtung der Abweichung nicht unrelevant. Eine Verkrümmung des Unterschenkels in seitlicher Richtung wird das Kniegelenk vermutlich stärker beeinträchtigen, als eine Verkrümmung in Laufrichtung, da das Kniegelenk eine seitliche Bewegung normalerweise nicht ermöglicht. Vielleicht verformt sich ein verkrümmter Knochen bei Belastung auch weiter… Fragen an einen Orhtopäden!